Grad der Berufsunfähigkeit – Tabellen und Beispiele aus der Praxis: Ein Leitfaden für Versicherte

Grad der Berufsunfähigkeit

Der Grad der Berufsunfähigkeit (BU) ist ein wichtiges Konzept in der Versicherungsbranche, da er angibt, wie stark eine Person durch gesundheitliche Beeinträchtigungen in ihrer beruflichen Tätigkeit eingeschränkt ist.

Er wird häufig in Stufen zwischen 50 % und 100 % angegeben, wobei eine Berufsunfähigkeit ab 50 % besteht, wenn eine Person ihren bisherigen Beruf nicht mehr in vollem Umfang ausüben kann. Erreicht der BU-Grad diese Schwelle, steht dem Betroffenen die volle BU-Rente zu.

Ein im Artikel dargestelltes Beispiel zeigt, dass ein Bandscheibenvorfall bei einem Profi-Fußballer zu einer vollen Berufsunfähigkeit führen kann, während dieselbe Erkrankung bei einem Zahnarzt oder Autor zu einem geringeren BU-Grad führt. Um die Einschätzung zu erleichtern, bieten Tabellen eine Orientierung zur Klassifizierung der Beeinträchtigungen.

Alles Wissenswerte im Überblick

  • Der Grad der Berufsunfähigkeit liegt zwischen 50 % und 100 %.
  • Unterschiedliche Berufe und Erkrankungen beeinflussen den BU-Grad.
  • Eine korrekte Tätigkeitsbeschreibung ist entscheidend.

Beispiele anhand der Tabelle Berufsunfähigkeit: Grad mit Erkrankung und Beruf

Beispiel 1: Flugbegleiterin mit Angstzuständen

Eine Flugbegleiterin, die an Angstzuständen leidet, kann zu einer Berufsunfähigkeit von 100 % führen. Dieser Beruf erfordert das Servieren von Speisen und Getränken sowie das Gewährleisten der Sicherheit an Bord eines Flugzeugs. Ruhe und Stabilität, auch in stressigen Situationen, sind unabdingbar.

Auswirkungen der Erkrankung auf den Beruf: Panikattacken und Ängste können diese wesentlichen Aufgaben erheblich erschweren oder unmöglich machen, je nach Schweregrad.

Beispiel 2: Malermeister mit Oberarmbruch

Ein Malermeister, der einen Oberarmbruch erlitten hat, könnte als 75 % berufsunfähig eingestuft werden. Diese Verletzung beschränkt seine Fähigkeit, zentrale Tätigkeiten seines Handwerks auszuführen, wie Schleifen, Spachteln, Lackieren und Streichen.

Auswirkungen der Erkrankung auf den Beruf: Während Aufgaben im Büro und der Kontakt mit Kunden und Kollegen zwar reduzierter sind, sind die handwerklichen Tätigkeiten, die den Kern des Berufs bilden, deutlich eingeschränkt, was die Arbeitsfähigkeit erheblich beeinträchtigt.

Beispiel 3: Naturwissenschaftler mit Arthrose

Ein Naturwissenschaftler, der an Arthrose leidet, könnte eine Berufsunfähigkeit von 50 % aufweisen. Dieser Beruf erfordert sowohl analytische und kognitive Fähigkeiten zur Arbeit mit umfangreichen Datensätzen als auch präzise Arbeit im Labor. Dazu müssen die Finger beweglich und belastbar sein.

  • Auswirkungen der Erkrankung auf den Beruf: Abhängig vom Fortschritt der Arthrose können wichtige berufliche Aufgaben eingeschränkt sein, was die Ausübung des Berufs als Naturwissenschaftler erheblich beeinträchtigen kann.
  • Hinweis: In jedem der aufgeführten Fälle erreicht der Grad der Berufsunfähigkeit mindestens die nötigen 50 %, was die Ausschüttung der vollen Berufsunfähigkeitsrente ermöglicht.

Wer legt den Umfang der Berufsunfähigkeit fest?

Die Bestimmung des Berufsunfähigkeitsgrads erfolgt durch einen Gutachter, den die Versicherungsgesellschaft beauftragt. Hierbei bewertet der Gutachter, welche Tätigkeiten der betroffenen Person noch möglich sind und welche nicht mehr ausgeübt werden können. Zudem ermittelt er, ob teilweise berufliche Tätigkeiten, auch Restleistungen genannt, weiterhin möglich sind.

Wichtig: Eine detaillierte Tätigkeitsbeschreibung im Rahmen des Berufsunfähigkeitsantrags kann erheblich zur präzisen Bestimmung des Berufsunfähigkeitsgrads beitragen, indem sie dem Gutachter ein klares Bild der Anforderungen des betroffenen Berufs verschafft.

Faktoren, die den Grad der Berufsunfähigkeit bestimmen

Berufsunfähigkeit bewerten
Die Art des ausgeübten Berufs und die damit verbundenen Tätigkeiten sind ebenfalls ausschlaggebend für den Grad der Berufsunfähigkeit.

Einflussfaktor 1: Schwere der gesundheitlichen Beeinträchtigung

Der Schweregrad einer gesundheitlichen Beeinträchtigung ist entscheidend für die Berufsunfähigkeit. Je stärker die Einschränkung, desto größer die Auswirkungen auf die Fähigkeit, den Beruf weiterhin auszuüben.

Wichtig: Nicht die Krankheit selbst steht im Vordergrund, sondern ihre konkreten Folgen im Berufsalltag.

Beispiel: Ein Büroangestellter mit schweren Bandscheibenproblemen kann nur noch die Hälfte seiner regulären Arbeitszeit leisten. Damit ist er in der Regel ein klassischer Leistungsfall für die Berufsunfähigkeitsversicherung.

Einflussfaktor 2: Beruflicher Kontext und spezifische Tätigkeiten

Neben dem Schweregrad einer Erkrankung spielt auch der konkrete Beruf eine zentrale Rolle. Entscheidend ist, ob die gesundheitliche Einschränkung die primären, also wesentlichen Tätigkeiten betrifft, oder nur sekundäre Aufgaben.

Primäre Tätigkeiten sind Kernaufgaben, die den Beruf prägen und ohne die er nicht in der gewohnten Form ausgeübt werden kann. Sekundäre Tätigkeiten sind zwar Teil des Berufs, haben aber für dessen Kernidentität eine geringere Bedeutung.

Ein Beispiel: Ein Lkw-Fahrer, der aufgrund einer chronischen Knieerkrankung nicht mehr längere Zeit sitzen und fahren kann, wäre berufsunfähig, da das Fahren seine zentrale Tätigkeit ist. Könnte er hingegen nur noch weniger Ladetätigkeiten übernehmen oder keine Tourberichte mehr schreiben, könnte er seinen Beruf grundsätzlich weiterhin ausüben.

Einflussfaktor 3: Zeitliche Abgrenzung

Ein wichtiger Punkt ist die zeitliche Betrachtung, denn hier entscheidet sich oft, ob von Arbeitsunfähigkeit oder von Berufsunfähigkeit gesprochen wird. Arbeitsunfähigkeit bedeutet in der Regel, dass jemand krankheitsbedingt vorübergehend nicht arbeiten kann, zum Beispiel mit einer Krankschreibung für einige Wochen oder Monate.

Berufsunfähigkeit liegt dagegen dann vor, wenn die Einschränkungen voraussichtlich dauerhaft bestehen und die bisherige Tätigkeit zu mindestens 50 Prozent auf absehbare Zeit nicht mehr ausgeübt werden kann.

Ein Beispiel: Eine Erzieherin mit einem Bandscheibenvorfall ist nach einer Operation mehrere Monate arbeitsunfähig, weil sie sich erholen muss. Sobald klar wird, dass sie auch langfristig keine Kinder mehr heben oder dauerhaft im Gruppenalltag stehen kann, spricht man von Berufsunfähigkeit.

Beispiele für unterschiedliche Grade der Berufsunfähigkeit

Beruf Erkrankung BU-Grad Auswirkungen auf die berufliche Tätigkeit
Flugbegleiterin Angstzustände 100 % Panikattacken verhindern sichere Ausübung des Berufs, da Gelassenheit erforderlich ist.
Malermeister Oberarmbruch 75 % Wesentliche Tätigkeiten wie Streichen, Schleifen und Spachteln sind stark eingeschränkt.
Naturwissenschaftler Arthrose 50 % Präzisionsarbeit im Labor und längeres Sitzen erschwert, kognitive Arbeit noch möglich.
Bürokaufmann Bandscheibenvorfall 60 % Längeres Sitzen verursacht Schmerzen, Arbeiten am PC nur eingeschränkt möglich.
Chirurg Zittern der Hände 100 % Feinmotorische Präzision nicht mehr gegeben, Operationen unmöglich.

Tätigkeitsbeschreibung als entscheidender Aspekt

Die genaue Formulierung einer Tätigkeitsbeschreibung spielt eine wesentliche Rolle bei der Feststellung des Grades der Berufsunfähigkeit.

Sie beeinflusst maßgeblich, welche diagnostischen Kriterien von Ärzten oder Gutachtern herangezogen werden.

Unterschiede durch detaillierte Tätigkeitsbeschreibung:

Tätigkeitsbeschreibung
Die ausführlichere Ausarbeitung der Tätigkeitsbeschreibung kann erhebliche Unterschiede hervorbringen.
Beispiel 1: Allgemeine Darstellung:

  •     Arbeit am PC
  •     Leitung eines Teams

Beispiel 2: Ausführliche Darstellung:

  •     Arbeit am PC: Detaillierte Analyse großer Datenmengen mit Excel, Erstellung von Präsentationen für den Dialog mit Kunden und Lieferanten
  •     Personalverantwortung: Verantwortung für 20 Mitarbeiter mit Aufgaben wie Personalgespräche, Beurteilungen und Koordination
  •     Organisation: Durchführung von Meetings zur effektiven Teamkoordination
  •     Kommunikation: Zeitkritischer Austausch mit Projektmitgliedern
  •     Mobilität: Kurzfristige Reisen zu Kunden, Lieferanten und Standorten des Unternehmens

Insbesondere bei psychischen Erkrankungen wie Burnout oder Depression ist die genaue Beschreibung der Büroarbeiten von Bedeutung für die Ermittlung des Grades der Berufsunfähigkeit.

Weitere Erkrankungen und deren Einfluss auf den BU-Grad

Erkrankung Möglicher BU-Grad Betroffene Berufe Auswirkungen
Multiple Sklerose 60–100 % IT-Experte, Lehrer, Handwerker Fortschreitende Einschränkung der Mobilität, Koordinationsprobleme, kognitive Beeinträchtigungen
Depression 50–100 % Manager, Verkäufer, Pflegekräfte Konzentrationsstörungen, Antriebslosigkeit, soziale Isolation, Entscheidungsunfähigkeit
Rheuma 50–80 % Schreiner, Friseur, Musiker Schmerzen und Bewegungseinschränkungen, erschwerte körperliche Tätigkeiten
Sehverlust auf einem Auge 50–70 % Busfahrer, Chirurg, Grafiker Einschränkung der räumlichen Wahrnehmung, Probleme bei feinen motorischen Tätigkeiten
Herzinfarkt 50–100 % Bauarbeiter, Polizist, Lehrer Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit, Stressunverträglichkeit

Berufsunfähigkeit: Warum nicht jede Krankheit automatisch dazu führt

Der Grad einer Berufsunfähigkeit ist kein starres Konstrukt, sondern hängt von mehreren Faktoren ab. Entscheidend ist nicht allein die Diagnose, sondern wie stark die gesundheitliche Einschränkung die zuletzt ausgeübte Tätigkeit beeinflusst.

Eine Krankheit führt also nicht automatisch zur Berufsunfähigkeit. Ob Leistungen fällig werden, entscheidet sich erst im Zusammenspiel von Schwere, Tätigkeit und Dauer der Einschränkung.

Ein Beispiel aus der Praxis

  • Friseur mit Allergie: Eine Kontaktallergie gegen chemische Inhaltsstoffe oder Färbemittel kann für einen Friseur existenzbedrohend sein. Die Arbeit mit Haarfarben und Pflegeprodukten gehört schließlich zum Kern seines Berufs – fällt das weg, ist er faktisch nicht mehr in der Lage, seinen Job auszuüben.
  • Bürokaufmann mit derselben Allergie: Für einen Bürokaufmann hätte dieselbe Allergie hingegen kaum Auswirkungen. Die primären Tätigkeiten – etwa Kundenkorrespondenz oder Verwaltung – sind weiterhin möglich.
    Gleiche Diagnose, völlig unterschiedliche Konsequenz.

Fazit

Berufsunfähigkeit ist kein einfaches Schwarz-Weiß-Thema. Sie wird immer im Zusammenhang mit dem individuellen Beruf und den konkreten Aufgaben bewertet.

Gerade deshalb ist es wichtig, den eigenen Beruf realistisch einzuschätzen und frühzeitig für eine passende Absicherung zu sorgen. So lässt sich im Ernstfall sicherstellen, dass finanzielle Stabilität und Lebensqualität erhalten bleiben.

Häufig gestellte Fragen

Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, um eine Berufsunfähigkeit anzuerkennen?
Um eine Berufsunfähigkeit geltend zu machen, muss bewiesen werden, dass eine Krankheit oder ein Unfall die Person daran hindert, ihren zuletzt ausgeübten Beruf auszuführen.
Nach welchen Maßstäben wird der Grad der Berufsunfähigkeit festgelegt?
Der Grad der Berufsunfähigkeit wird anhand bestimmter Kriterien bestimmt, die den Umfang der Einschränkungen im Beruf umfassen. Faktoren wie die Schwere der Erkrankung, die Auswirkungen auf die berufliche Leistung und die Dauer der Arbeitsunfähigkeit spielen eine zentrale Rolle.
Welche gängigen Krankheitsursachen für Berufsunfähigkeit gibt es in der Praxis?
In der Praxis sind häufig Erkrankungen wie Rückenleiden, Herz-Kreislauf-Probleme und psychische Krankheiten als Gründe für Berufsunfähigkeitsfälle zu beobachten. Diese Krankheiten sind oft besonders belastend und können die Fähigkeit, im bisherigen Beruf tätig zu sein, erheblich einschränken.
Wie variieren berufsunfähigkeitsbedingte Leistungen je nach Grad der Behinderung?
Die Leistungen, die bei Berufsunfähigkeit erbracht werden, variieren je nach festgestelltem Grad der Behinderung. Ein höherer Grad der Berufsunfähigkeit führt in der Regel zu höheren Versicherungsleistungen. Diese Leistungen sollen den Einkommensausfall teilweise oder vollständig ausgleichen.
Welche Bedeutung haben psychische Erkrankungen wie Depressionen bei der Feststellung der Berufsunfähigkeit?
Psychische Erkrankungen wie Depressionen haben zunehmend Einfluss auf die Entscheidung über Berufsunfähigkeit. Da sie oft die geistigen und körperlichen Fähigkeiten stark beeinträchtigen, werden sie von Versicherungen genauer untersucht, um faire Leistungen zu gewährleisten.
Welche Folgen hat es, keine Berufsunfähigkeitsversicherung zu haben und berufsunfähig zu werden?
Wer keine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen hat und berufsunfähig wird, ist in der Regel finanziellen Risiken ausgesetzt. Ohne die finanzielle Unterstützung durch eine Versicherung kann es schwierig sein, den Lebensstandard zu halten oder medizinische Behandlungen zu finanzieren.

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